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Volksstimme vom 27. Februar 2008

Der Blick auf den Ankuhner Markt

auf einer Postkarte aus dem Jahr 1904. Foto: Sammlung Helmut Hehne

43. Zerbster Kulturfesttage : Helmut Hehne und Franz Stephan mit spannender Zerbster Geschichte
Riesenresonanz: Ankuhn-Vortrag wird am 10. März wiederholt
Von Antje Rohm

Es war noch nicht 18. 30 Uhr, da gab es im Faschsaal der Zerbster Stadthalle keinen einzigen Platz mehr. Während sich der veranstaltende Zerbster Heimatverein vom Andrang überrascht zeigte, war der für viele Besucher völlig selbstverständlich. Und viel mehr noch, als es am Montagabend konnten, wollten erfahren, was Helmut Hehne und Franz Stephan über den Ankuhn zu berichten hatten.

Zerbst. Mit Amtsbonus und Reservierung bekam Bürgermeister Helmut Behrendt ( FDP ) auch zwei Minuten vor dem geplanten Veranstaltungsbeginn um 19 Uhr noch einen Platz. Etliche interessierte Zerbster mussten aber vor der Stadthalle umkehren. Kartenvorverkauf, der größere Saal – Verschiedenes wäre sicher möglich gewesen, die Situation zu entlasten. Eine Erfahrung für den Zerbster Heimatverein, der diesen Vortrag im Rahmen der 43. Zerbster Kulturfesttage präsentierte. In jedem Fall, so versprach Vorstandsmitglied Hans Schuch noch am Montagabend, soll es eine Wiederholung geben. Helmut Hehne konnte gestern bereits den Termin nennen : Montag, 10. März, 19 Uhr, im Katharinasaal der Stadthalle.
" Im letzten halben Jahr haben wir an der Vorbereitung gearbeitet ", so Helmut Hehne. Für das neueste " Werk " seiner heimatgeschichtlichen Vorträge hat er sich mit Franz Stephan zusammengetan, den er am Montag im Faschsaal als " einen der Gemüsegötter des Ankuhn " vorstellt. Beider Dank ging an die Ankuhner, " die zu drei Vierteln heute hier sind ", die sie mit Wissen, Dokumenten, Fotografi en unterstützt haben.

Scharfrichter-Nachfahre

" Unsere Vorstadt Ankuhn – Geschichte, Gestalten, Gemüse " haben Helmut Hehne und Franz Stephan ihren Vortrag überschrieben. Und sie begannen auch mit der Geschichte. Mit der im Februar 1850 erfolgten Eingemeindung nach Zerbst des 1213 erstmals erwähnten Städtchens Ankuhn. Von Stadtstatus zeugen Wappen und Siegel mit zwei Türmen über einer Mauer. " Oppido Ankuhn " steht darauf.
Die Erschließung des Gemüselandes geht auf Albrecht den Bären zurück. Ob der Name Ankuhn slawischen oder fl ämischen Ursprungs ist, ist offen. Für Familiennamen oder Bezeichnungen ist die fl ämische Herkunft belegt. Als Beispiele nennt Helmut Hehne Worth für Ackerfl äche und Siepe für Wassergraben.

Für die Ankuhn ‘ sche Geschichte steht ein altes Stadtmodell, das Zerbst und den Ankuhn im 15. Jahrhundert zeigt. Oder die Einwohnerentwicklung. 380 Ankuhnern im Jahr 1572 stehen 1753 220 gegenüber, 2007 waren es 467. Ein historischer Stadtplan zeigt den Ankuhn um 1798. Mit verzeichnet dort der Scharfrichterteich. Später werden auch die Grabmale der einstigen Ankuhner Scharfrichter Kahlo und Poltze zu sehen sein. Die Grabsteine befi nden sich heute in der Kirche St. Marien. Am Abend im Faschsaal dabei war Wolf Dietrich Golz. Der Berliner ist Israel Gottfried Poltzes Nachfahre und über die eigene Ahnenforschung auf den Zerbster Vortrag aufmerksam geworden.

Das Ankuhner Tor. Die Ankuhner Kirche, die ursprünglich ein Kloster war, das bereits im Mittelalter abgebrochen wurde. So genannte Totenkronen, die bei Renovierung der Kirche 1937 dem Landesmuseum im Zerbster Schloss übereignet wurden und dort später verbrannten. Der Flutgraben, den die Ankuhner anlegten für die " hin- und rückläufi ge Unterflutbewässerung " ihrer Anbauflächen. Der Ankuhner Markt auf einer Postkarte von 1904. Längst nicht alles ist dies, was Helmut Hehne und Franz Stephan bei ihrem Streifzug durch die Ankuhner Historie beleuchteten. Interessant auch eine Fotografi e aus dem Jahr 1929, als zwei neue Glocken für St. Marien geweiht wurden. Unter vielen Namen, die er zum Foto nennen konnte, verwies Franz Stephan unter anderem auf Ernst Krüger, der den Wagen mit den Glocken fuhr. " Und seine Tochter Elisabeth Krüger stiftete 80 Jahre später jetzt die Glocke für die Nicolaikirche mit. "

Wiedererkennung

Und dann – natürlich – war da noch das Stichwort Gemüse. " Das ist ja unsere Mutter. " " Ach, Molly Brandt. " " Oh, den kenne ich. " " Na klar, Lieschen Giese. " Ausrufe wie diese gab es jetzt mehrfach im Faschsaal. Das lag an den Fotos von der Kohlernte, dem Kartoffeln " rapen ", vom Pfl anzen pikieren oder dem Gemüsetransport … – jüngere, bis in die Gegenwart reichende Ankuhn-Geschichte mit hohem Wiedererkennungseffekt.
Neben den Fotografi en der verschiedensten Etappen der Gemüseproduktion, auch von den erste Düngeversuchen Anfang des 20. Jahrhunderts beispielsweise, machten Dokumente und Grafiken das beeindruckende Ausmaß dieser deutlich.
So haben die Ankuhner Bauern zum Beispiel 1930 in einem Monat 45 000 Zentner Gurken vermarktet. Über den Versand per Bahn von 6 547, 9 Tonnen Ankuhner Gemüse berichtet eine Aufsstellung aus dem Jahr 1931, vor allem nach Leipzig " und Umgegend ", aber bei spielsweise auch in die Schweiz.
Neben Fotos, Fakten und Namen haben die beiden Ankuhn-Experten auch manche Episode parat. Etwa zum Foto mit den unzähligen Weißkohlwagen auf dem Ankuhner Markt. Weißkohl- und Heuernte hätten immer zeitgleich gelegen und immer wurden dann die Transportmöglichkeiten knapp.

Ankuhner Gemüse-Stolz wurde präsentiert auch in Schaubildern zur 900- und zur 1 000-Jahr-Feier von Zerbst.

Eine der Fotografi en dazu entstand im Schloßgarten. Helmut Hehne hat eine weitere Aufnahme von dort mitgebracht. Und ist damit beim Ausblick. Auf seinen nächsten Vortrag. " Als wir das Heimatfest gründeten " soll der zum Thema haben.

Jetzt ist aber erst einmal noch Ankuhn-Nachfrage zu befriedigen. Eine CD-Rom mit dem Vortrag gab es traditionsgemäß wieder in Bürgermeisterhände fürs Stadtarchiv.

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Dokument erstellt am 27.02.2008 um 05:58:11 Uhr
Erscheinungsdatum 27.02.2008 | Ausgabe: zex