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Zerbst während des 1. Weltkrieges

Viele der in den Baracken untergebrachten

Gefangenen starben an Unterernährung und Seuchen


Hinter der Mozartstraße, in Richtung der Feuersäule erinnert
ein steinernes Denkmal heute an das Gefangenenlager.
Hier fanden Unterkunft 12809 Russen, Franzosen, Engländer und Belgier.

Schätzungsweise 15000 bis 20000 Kriegsgefangene durchliefen das Kriegsgefangenenlager Zerbst.
Die in 56 Baracken untergebrachten Soldaten wurden von einem Landsturm-Bataillon bewacht.

Kriegsgefangenenlager

Viele Gefangene starben an Unterernährung und Seuchen.
Sie wurden auf dem Muchelfriedhof beigesetzt.
Das Wort Muchel oder Moch weist auf ein sumpfiges mooriges Gelände mit "mucheligen Geruch" hin.
Der Muchelfriedhof wurde zwischen 1916 und 1920 angelegt. Früher standen hier um die 450 Holzkreuze.
Ein Denkmal welches bis heute erhalten ist, deutet auf eine Gefangenenzahl von 12809 hin.
Früher fand sich noch ein Adler auf dem Bauwerk. Leider wurde das Denkmal in den Nachkriegsjahren des 2. Weltkrieges zu Schießübungen mißbraucht.

Die Anlage des Barackenlagers Zerbst

In den neunziger Jahren wurde das Gelände unter Mitwirkung der Bundeswehr in Ordnung gebracht.
Die Gedenksäule mit der Inschrift " pro patria" (für das Vaterland) erhebt sich als Blickpunkt der Anlage des ehemaligen Exerzierplatzes.
In den Landessprachen der Toten wird diesen "ewiges Gedenken" versprochen.

Geld aus dem Zerbster Kriegsgefangenenlager

Inhalt eines Feldpostbriefes aus 1915.

Feldpostbrief Herrn Gustav Biebrach Webermeister Neugersdorf i/Sachsen
Abs. Untffz. Raue ........... Manschaftsgefangenenlager Zerbst
Februar 1915. Nachtdienst im Gefangenenlager. Lieber Gustav und Luise!
Endlich komme ich dazu Euren lieben Brief zu beantworten. Es war mir eine große Freude von Euch Ihr lieben aus der Heimat gute Nachrichten zu erhalten.
Vor ein paar Tagen erhielt ich auch eine Karte von Eurem Sohn Adolf aus Frankreich, er schreibt mir, daß er sich trotz aller Entbehrungen und Gefahren wohlbefindet, was mich sehr freut.
Ihr wolt nun auch wissen, was ich hier mache. Erstens kan ich Euch sagen das es mir gut geht. Ich bin nun schon wieder ein halbes Jahr Soldat,
was ich mir auch nie hätte träumen lassen. Ich gehöre zum ständigen Aufsichtspersonal bei den Gefangenen.
Bin also mitten unter unseren Feinden. Wir haben hier Franzosen, Russen, Engländer und Belgier.
Nun müßt Ihr aber nicht denken, das diese Leute Barbaren sind, im Gegenteil, unter den Franzosen und Belgiern befinden sich sehr nette
und liebenswürdige Leute, mit welchen sich ein richtiger freundschaftlicher Verkehr heraus gebildet hatt.
Naturlich müßen wir immer im Auge behalten, das es Gefangenen sind.
Das Lager besteht aus 48 Baraken jede Barake ist in 2 hälften geteilt und in jeder Hälfte liegen 150 Mann.
Im ganzen haben wir hier gegen 13000 Gefangene. Es können aber 18000 untergebracht werden. Das Bild ist hier sehr bunt.
Wen man so mitten drin steht unter den vielen tausenden Menschen. Es ist sehr interisant, wen man ein offenes Auge hatt.
Die Aufgabe des Aufsichtspersonals ist nun Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten.
Für größte Sauberkeit innerhalb und ausserhalb der Baraken zu sorgen, damit keine ansteckende Krankheiten entstehen.
Die Leute müssen täglich auf den großen Platze, den jede Komp. innerhalb ihrer Reviers
hat, Vor- und Nachmittag je eine Stunde exsizieren, oder richtiger gesagt spazieren gehen. Während dieser Zeit werden sämmtliche Turen
Lüftungsanlagen und Fenster geöffnet, um frische Luft zu zuführen.

Der Mittelpunkt um den sich alles alles dreht ist das Essen. Früh 6 Uhr ist Kaffe ausgabe. Jedermann erhält 1/2 Ltr. Kaffee oder Tee.
Als Mittagskost wird 2 Pfund=1 Ltr dick eingekochtes Gemüse mit klein geschnittenen Fleisch verabreicht so wie mann es in unseren Kasernen
auch erhält, das Essen ist sehr gut. Am Abend erhält jeder 1 Ltr. Suppe oder Kartoffeln mit Hering, auch manchmal Wurst u.s.w..
Brot wird per Mann u. Tag 1 ..... gegeben. Die ganze Verpflegung besorgen 3 Küchen, früher zwei. Diesen Betrieb bei so einer Essenausgabe
müßtet Ihr mal sehen. Jede Komp. ist ungefähr 1550 Mann stark und bildet eine, sagen wir Familie, wie bei unseren Soldaten.
Bis vor kurzen erhielten wir das Essen in Wagen so ähnlich wie ein Backtrog mit Rädern. Jeder muste sich da seinen Napf voll einlöffeln lassen.
Diese Arbeit dauerte jedes mal 1 Stunde bis die ganze Komp. fertig abgefüttert war. Das wickelte sich nun nicht alle mal so glatt ab
wie ich das hier erzähle, der Russe ist überhaupt nicht satt zu machen.
Für heute will ich schluß machen und mich vier Stunde aufs Ohr legen, ein andermal erzähle ich Euch mehr.

(Vielen Dank an Herrn W. Grimm aus den Niederlanden für den Brief)

Der Muchelfriedhof heute

Notizen zum Internierungslager Mucheln


…Seit der Gründung des Z.S.C. hegte man den Wunsch, eine eigene Auskleidungszelle in der Badeanstalt zu besitzen. Im Jahre 1923 ging dieser lang gehegte Wunsch endlich in Erfüllung. Durch von den Mitgliedern des Vereins zur Verfügung gestellte Mittel konnte aus dem ehemaligen Gefangenenlager eine Offiziersbaracke gekauft werden, deren Abbau und Aufstellung auch wieder durch eine beherzte Schwimmerschar in uneigennütziger Weise übernommen wurde.

Quelle: Festschrift „25 Jahre Zerbster Schwimmclub von 1902 e.V.“ Seite 20

…Beim Abbruch des ehemaligen Gefangenenlagers bot sich die Gelegenheit, ein Wachlokal zu kaufen. Die Nordwache wurde als Umkleideraum auf unserem Platz verpflanzt. Riesenbetonblöcke mussten zerkleinert und versenkt werden. (Es war eine Gegenleistung)

Quelle: Jubiläumsschrift 1903 – 1928 Sportverein Viktoria 03 e.V. Zerbst Seite 10.

Mehrbildkarte

aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts "Zur Erinnerung an den Appell des III. Bat. Reg. No. 93 Zerbst"