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Zerbster Sagen

Die drei Steinkreuze in der Zerbster Stadtmauer

(aus Zerbster Heimatkalender 1950 – Zerbster Sagen)

Es lebte einmal in Zerbst ein braver alter Mann. Er hatte zu seinem großen Kummer seine Frau früh verloren, aber sie hatte ihm als kostbares Erbe drei Söhne hinterlassen. Sie glichen einander im Aussehen, in ihrer Veranlagung und in ihrem Charakter. Sie lebten einträchtig beieinander, und der Vater hatte seine helle Freude an den heran wachsenden Kindern. Da wollte es das Schicksal, dass im Nachbarhause eine Familie zuzog, die hatte ein wunderschönes sittsames Töchterlein.
Bald entbrannten die drei Brüder in heftiger Liebe zu dem lieblichen Mädchen, jeder wollte sie zu seiner Frau machen und keiner wollte sie dem anderen gönnen. Da war es denn mit der Eintracht und Ruhe im Hause des alten Mannes vorbei, denn die Liebe und Eintracht unter den Brüdern war nun in Hass und Zwietracht umgeschlagen.

Plan der Stadt Zerbst

Eines Tages machte der Älteste den beiden anderen folgenden Vorschlag: „Brüder“, sagte er, „wir haben uns bisher immer so gut vertragen. wir wollen jetzt offen und ehrlich gegen einander sein! Lasst uns um den Besitz des schönen Mädchens in ehrlichem Kampfe fechten. Zwei von uns sind zuviel und müssen weichen. Wer im Kampfe überlebt, soll die Geliebte besitzen!“
Tapfer wie sie waren, erklärten sich die beiden anderen einverstanden und begaben sich draußen vor die Stadtmauer, um ihren Kampf auszufechten. Die beiden älteren begannen den Kampf, und wacker streitend fiel bald der älteste von ihnen mit tödlicher Wunde. An seiner Stelle trat der jüngste der Brüder und nahm den Kampf mit dem Überlebenden auf. Da erhielt auch der zweite den tödlichen Streich. Aber zusammenbrechend gelang es ihm noch, dem jüngsten einen schweren Stich durch die Brust beizubringen. Schwer verwundet schleppte sich dieser nach Haus, berichtete dem entsetzten Vater von ihrem Wettkampf, um dann auch tot zusammenbrechen.
So verlor der arme alte Mann an einem einzigen Tage seine drei, sonst so tüchtigen Söhne. Der Vater aber und das schöne Mädchen, das ohne es zu wollen die Veranlassung zu ihrem grausigen Tode geworden war, setzten den drei Brüdern an der Stadtmauer die drei Kreuze.

Kartoffellangefrauen um 1952

auf einem Acker im jetzigen Wohngebiet Teufelstein, damals noch Kartoffelacker.


Der Teufelstein

(aus Zerbster Heimatkalender 1950 – Zerbster Sagen)

Der Teufel kam einmal zu einem Fürsten von Anhalt, der in Zerbst wohnte, und verlangte, dass er ihm die Stadt Zerbst abtreten sollte. Der Fürst verweigerte sich anfangs. Allein der Teufel ließ nicht nach und erhielt endlich die Zusage unter der Bedingung, dass er den großen Stein am Hainholze
(frühere Bezeichnung für den heutigen Waldfrieden) bei Zerbst dreimal um die Stadt trage.
Schnell ging der Teufel an das schwere Werk, hieb mit der Axt in den Stein, so dass er daran hängen blieb, nahm ihn auf die Schulter und begann seine Wanderung. Zweimal hatte er den Weg schon zurückgelegt, da, beim dritten Umgang zerbrach dem Bösen die Axt, und der Stein fiel zur Erde.
Zornentbrannt entwich der Teufel und die Stadt war gerettet.


Schön Suschen
(eine Zerbster Sage)


Vor langer Zeit wurde die Stadt Zerbst durch eine Räuberbande in Unruhe versetzt, die ihren Versammlungsort innerhalb der Ringmauer des Galgens hatte. Die Hinrichtungsstätte lag vor dem Heidetor. (Auf dem Galgenberg) Sie war von einer festen Mauer umgeben, deren Tor ständig verschlossen war. Die Mitglieder dieser Bande wussten genau, zu welcher Zeit in den einzelnen Häusern durch Krankheit, Abwesenheit der Besucher oder andere Umstände sich eine Gelegenheit zum Einbruch bot.
Es war daher anzunehmen, dass sie mit Leuten innerhalb der Stadt in enger Verbindung standen.
So war es auch. Ihr zuverlässigster Spion war ein Schumacher, der in einem kleinen Haus westlich des alten Gasthofes „Zum weißen Bären“ auf der Heide wohnte. Er war der treueste Stammgast dieser Herberge, passte genau auf alles, was dort verhandelt wurde, und trug es den Räubern zu.
Eines Abends war das tägliche Gespräch über die Räuber Veranlassung zu der Frage, ob wohl einer so mutig sei, sofort nach dem Galgen zu gehen und sich von der Anwesenheit der Räuber zu überzeugen. Nach manchem Hin – und Herreden und als sich kein Beherzter fand, sagte der Wirt:
„Ich gehe jede Wette ein, dass meine Magd Schön Suschen das Wagestück übernimmt, wenn sie dabei etwas verdienen kann. Das Mädchen hat Mut, sie möchte gern ihren Christoph heiraten, aber sie ist arm und er hat auch nichts“. Die zahlreichen Gäste brachten eine größere Summe beisammen.

Schloßfreiheit um 1940

Schön Suschen ward gerufen und nach kurzer Überlegung erklärte sie sich bereit, den Weg zu gehen.
Eine Bedingung stellte sie, und zwar sollte das Heidetor offen gehalten werden für den Fall, dass sie verfolgt würde.
Sofort machte sich das Mädchen auf den Weg. Behutsam schlich sie zu den Galgen heran. Am Eingang war ein Schimmel angebunden, der einen gefüllten Mantelsack trug. Die Tür, die in das Innere führte, war unverschlossen. Hier lagen die Räuber und schliefen. Behutsam band das Mädchen den Schimmel los, schwang sich in den Sattel und ritt eiligst nach der Stadt zurück.
Die erwachten Räuber setzten ihr nach. Aber rechtzeitig erreichte sie das Tor und war gerettet. Große Freude herrschte nun im „Weißen Bären“ und die Freude ward noch größer, als in dem Mantelsack eine große Summe Gold und Goldeswert gefunden wurde. Alle beglückwünschten das Mädchen, man händigte ihr die ausgesetzte Summe aus, und sie musste alles erzählen.
Der alte Schuster hörte aufmerksam zu und hinterbrachte es am anderen Tage den Räubern.
Am nächstfolgenden Sonntag, als der Wirt und seine Frau in der Kirche waren, erschien ein stattlicher Fremder, der einen Trunk vom besten Wein verlangte. Schön Suschen vermutete, dass es ein Angehöriger der Bande war. Statt daher in den großen Keller hinunter zu gehen, versteckte sie sich unmittelbar zur Seite der Kellertür. Nach wenigen Augenblicken kam auch der Fremde und stieg die Kellertreppe hinab. Schön Suschen kam eiligst aus ihren Versteck, warf die schwere Kellertür zu und der Räuber war gefangen. Die herbei gerufenen Stadtwächter hatten ein schweres Stück Arbeit, den Burschen dingfest zu machen. Er wurde nachher solange gefoltert, bis er seine Gesellen mitsamt dem schurkischen Schumacher verriet. Alle endeten am Galgen, der vorher ihre Zufluchtstätte gewesen war.
Schön Suschen heiratete ihren Christoph und war, so lange sie lebte, in der Stadt sehr verehrt.

(aus Zerbster Zeitung vom Sonntag, den15. Februar 1880)